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Interview mit Dr. Kristin Bäßmann, Züchterin und Landeszuchtwartin des Islandpferdezucht-verbandes (IPZV) Hannover-Bremen. Als Tierärztin ist sie spezialisiert auf extensiv gehaltene Kleinpferde im Umkreis Hannover, ganz besonders Islandpferde

Im Landkreis Nienburg (Niedersachsen) ist ein Wolfsrudel heimisch. Die als Rodewalder Rudel bekannt gewordenen Wölfe haben mehrfach Nutztiere gerissen, wie auch das Wolfsbüro Hannover bestätigt. Inzwischen zählen auch Pferde zu den Opfern und wieder einmal spalten sich die Lager.

Carola Schiller, Pressesprecherin des Aktionsbündnisses Pro Pferd im Gespräch mit Dr. Kristin Bäßmann

Carola Schiller: Frau Dr. Bäßmann. Sie sind in Schwarmstedt-Buchholz zu Hause. In welchem Bezug stehen Sie zu in der Region gerissenen Pferden?

Dr. Kristin Bäßmann: Die Wölfe sind allgegenwärtig. Aber es ist unmöglich, das nach außen zu vermitteln, dabei wäre Aufklärung dringend nötig. Jeder Versuch führt zu Vorwürfen, den Menschen wird einfach nicht geglaubt, was sie hier erleben. Das ist eine zusätzlich hohe psychische Belastung. Man will es einfach nicht hören.

Carola Schiller: Wie kommen Sie mit den Wolfsberatern zurecht?

Dr. Kristin Bäßmann: Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen den Wolfsberatern. Wir haben hier mehrere. Eine einheitliche Richtung gibt es nicht. Manche kennen sich in der Landwirtschaft aus und sind bemüht, Lösungen herbeizuführen. Andere wiederum sind der Meinung, es geht ausschließlich um den Wolf. Das hat schon zu ungeheuerlichen Forderungen und Aussagen geführt.

Carola Schiller: Haben Sie ein Beispiel?

Dr. Kristin Bäßmann: Ja, auf einer der vielen Info-Veranstaltung erklärte uns ein Wolfsberater, wir hätten 1/3 unserer Nutztiere zur Verfügung zu stellen. Wir mussten uns außerdem sagen lassen, dass wir selber schuld seien, dass die Wölfe so nah kommen. Wir sollten uns aus dem Wald fernhalten. Dann würden sich Wölfe auch nicht an Menschen gewöhnen.

Carola Schiller: Wie geht es Ihnen mit solchen Aussagen?

Dr. Kristin Bäßmann: Es ist unfair. Es ist aber nicht nur uns hier auf dem Land gegenüber unfair, sondern auch für den Wolf. Natürlich kommt er nicht zur Ruhe, wenn hier Menschen leben, denen er nicht immer ausweichen kann.

Carola Schiller Wie häufig sehen sie die Wölfe?

Dr. Kristin Bäßmann: Berichte über Wolfssichtungen sind mittlerweile zum Alltag geworden und sorgen nicht mehr für Verwunderung. Wölfe gehören längst zum alltäglichen Landschaftsbild hier in unserer Gegend.

Carola Schiller Wie gehen die Menschen damit um?

Dr. Kristin Bäßmann: Das ist sehr unterschiedlich. Die älteren Menschen hier kennen noch die Geschichten, als der Wolf hier noch heimisch war. Viele Geschichten wurden überliefert. Das sind keine Fantasien. Wir hatten hier wirklich Schwierigkeiten. Die jüngeren Menschen haben sich davon entfernt. Das macht es nicht einfacher, wenn die Jüngeren allmählich feststellen, dass die Warnungen nicht aus der Luft gegriffen waren.

Carola Schiller Der Tod eines Islandjährlings vor wenigen Tagen hat ziemliche Wellen geschlagen. Es war das dritte Pferd, das dem Rodewalder Rudel zum Opfer gefallen ist. Das Ministerium hatte schon vor dem letzten Fall den Abschuss des ranghöchsten Rudels angeordnet. Nun hat ein Wolfsschutzverein über sein Verbandsklagerecht die Entscheidung gestoppt und die Gerichte müssen entscheiden. Wie vertraut sind Sie mit dem Fall des toten Jährlings?

Dr. Kristin Bäßmann: Ich kenne den Betrieb sehr gut, auf dessen Weiden Anfang Februar die Jährlingsstute gerissen wurde.

Carola Schiller Wie wurde der Jährling gehalten?

Dr. Kristin Bäßmann: Die Stute befand sich in einer Herde mit insgesamt fünf weiteren Zuchtstuten und ihren Fohlen. Der Hof genießt einen sehr guten Ruf. Die Zäune sind tierschutzkonform und entsprechen den Richtlinien zur Pferdehaltung. Es handelt sich um feste Zäune und Draht. Der Draht stand unter Strom.

Carola Schiller Waren die Weiden damit wolfabweisend eingezäunt?

Dr. Kristin Bäßmann: Wir sprechen von 10 Hektar großen Weiden. Das ist hier aus gutem Grund so, denn wir haben vor allem Sandböden. Auf kleineren Flächen würde die Grasnarbe beschädigt. Deshalb ist es wichtig, dass die Pferde viel Platz haben. Von vielen Züchtern wurden die Weidetiere bereits an den Hof geholt, da es nicht möglich ist, die großen Flächen auf Grund des enormen Kostenfaktors wolfssicher einzuzäunen. Der Aufwand die Zäune der großen Weideflächen komplett umzubauen und instand zu halten und die uns empfohlenen zusätzlichen Verdrahtungen in Bodennähe zu erbauen und zu pflegen, würde bedeuten zusätzliche Arbeitskräfte einzustellen. Dieser finanzielle Aufwand steht nicht in Relation zum Nutzen, geschweige denn, dass es für Weidetierhalter tatsächlich realisierbare wolfssichere Zäune geben würde.

Carola Schiller Sie sind selbst Züchterin? Was machen die Ereignisse mit Ihnen?

Dr. Kristin Bäßmann: Ich habe immer gerne gezüchtet. Aber ich überlege ernsthaft, ob ich das noch will. Ich habe selbst auch Sektionen vorgenommen und ich kann damit umgehen. Aber der Gedanke, dass ich auf die Weide komme und finde eines meiner Fohlen tot. Das ist zu viel. Ich überlege sogar zu verkaufen und die Gegend zu verlassen, wenn das so weitergeht. Dass ich die Zucht reduziere, ist schon sicher. Früher sind mein Mann und ich immer gerne auf die Weiden gegangen, um nach den Pferden zu sehen. Jetzt ist jeder Weg von Angst um die Tiere begleitet. Die Freude an der Zucht ist dahin!

Carola Schiller Warum sind die Pferde nachts nicht im Stall?

Dr. Kristin Bäßmann: Boxenhaltung kommt nicht in Frage. Wir haben 40 Jahre dafür gekämpft, dass sich die artgerechte Haltung der Pferde durchsetzt. Natürlich reicht das nicht als Antwort. Das merke ich als Landeszuchtwartin und Tierärztin besonders. Was soll ich denn den Pferdehaltern noch raten? Soll ich ihnen sagen: „Das wird schon“? Als Tierärztin bin ich verpflichtet, Leiden und Schmerzen von Tieren abzuwenden. Und jetzt steh ich vor der Situation, dass ich das Leiden nicht verhindern kann. Eigentlich müsste ich allen raten: “Hört auf zu züchten“! Ich finde die Verantwortung untragbar, die man uns hier aufbürdet.

Carola Schiller: Der Betrieb, auf dem der Jährling gerissen wurde, hat für Mai die Deutsche Jugendmeisterschaft der Islandpferdereiter vorgesehen. Dann sollen Hunderte von Kindern und Jugendlichen dort mit ihren Ponys campen. Sehen Sie ein Risiko für die Kinder und Ponys?

Dr. Kristin Bäßmann: Bei einem so großen Fest herrscht viel Trubel. Man sollte davon ausgehen, dass die Wölfe davon eher abgeschreckt werden. Fraglich ist aber, mit welchen Gefühlen Eltern ihre Kinder und deren Ponys zu dieser Meisterschaft schicken.

(CS)

 

Bässmann

(Bild zur Verfügug gestellt von Kristin Bäßmann)

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